(Nord)Portugal ist ein stilles Land, ein ruhiges Land, so wie auch die Menschen dort. Stets bemüht und immer hilfsbereit. Und auch manchmal etwas hilflos, denn geschätzt mehr als die Hälfte jener Personen, mit denen wir ins Gespräch kommen wollten oder in Kontakt gekommen sind, war keiner einzigen Fremdsprache mächtig: „Eu só falo português.“ hieß es dann – ich spreche nur Portugisisch – zusammen mit einem entschuldigenden Lächeln im Gesicht. Portugiesen sind angenehme, weil ruhige und disziplinierte Zeitgenossen. Kein lautes Volk. Zurückhaltend, nicht überschwänglich. Wer laut beim Frühstück lacht, fällt bereits auf. Und ist garantiert kein Einheimischer. Steif jedoch war es nie, dazu liegt auch Nordportugal viel zu weit südlich am europäischen Kontinent.
Deutsch ist hier die Minderheit. Einige Nachbarn aus dem angrenzenden Spanien, einige Briten (dem Portwein geschuldet), wenige Franzosen, selten Nordländer und schon gar keine Österreicher. Wahrscheinlich sind die alle an der Algarve oder in Lisboa – eh klar: Sonnenanbeter! Aber u.A. genau deswegen haben wir unser Sommerferiendomizil diesmal hier aufgeschlagen – im nördlichen Süden :-).
Unser erstes Domizil haben wir in einer Pousada hoch über Viana do Castelo oben am Monte Santa Luzia, direkt hinter dem sehenswerten Santuário bezogen. Prächtiger Ausblick über VdC inklusive – zumindestens am Nachmittag, wenn die sommerlichen, feuchten Nebelschwaden des Atlantiks keine Chance mehr gegen die Kraft der Sonne aufzuweisen hatten. Die Wallfahrtskirche Santa Luzia, ein gut besuchtes und sicherlich dominantes Wahrzeichen von VdC., kleidete sich bei unserer Ankunft noch ostseitig in ein Gerüst (Fassadenreinigung durch Wasserstrahlen). An unserem Abreisetag wurden wir jedoch mit dem Anblick eines vollständig renovierten sakralen Bauwerks im morgendlichen Sonnenschein verabschiedet – so hinterlässt man Eindruck :-).
Cool waren auch die beiden älteren Herren mit doch bereits etwas betagten Klapp-/Balgenkameras der schwäbischen Marke Nagel 30, welche vor der Kulisse des Ausflugsziels auf Kundenfang für Schwarz/Weiß-Erinnerungsfotos waren – klar, dass ich hier nicht widerstehen konnte, für € 10,– in 10 Minuten 2 gelungene Abzüge auf Ilford-Fotopapier fürs Urlaubsalbum in Händen zu halten.
Neben dem eindrucksvollen Santuário bietet VdC baulich einige sehenswerte Häuser im manuelinischen Stil, insbesonders der Hauptplatz, die Praça da República. Zum abendlichen Flanieren ist die Altstadt dank ihrer überschaubaren Ausdehnung für einen Spaziergang an der Uferpromenade entlang bis zur (im Vergleich zu Porto unspektakulären) Eiffelbrücke bestens geeignet.
Auch gibt es einige interessante Unterkünfte direkt im Altstadtkern, so zB. das Casa Manuel Espregueira e Oliveira, das mit individuellen & liebevoll restaurierten Zimmern inmitten historischer Gemäuer punkten kann. Ebenso ein frisch restauriertes, schwimmendes Fischereihospital-Museum(sschiff), die Gil Eanes (benannt nach einem portugiesischen Seefahrer), sowie einer „kleine Ausgabe“ des Pariser George Pompidou-Centers, welches als örtliches Veranstaltungszentrum dient. Zumindest wird es im Volksmund liebevoll nach dem berühmten Vorbild benannt.
Einer der fotografischen Highlights war für mich der örtliche Jahrmarkt, bei dem es neben Utensilien zur Weinproduktion (in allen Größen bis zum Ziergegenstand für den Mittagstisch), über (Schwarz-)Geschirr, Floristik und Bekleidung so ziemlich alles zu kaufen gab. Und das in Preisregionen ab einem (€ 1,–!) Euro – die Schlacht am Wühltisch ist eröffnet. Eine Veranstaltung, welche in unseren geografischen Breiten bereits seit geraumer Zeit ausgestorben ist – glücklicherweise, denn hinter den für mich bunten Fotomotiven wird schnell die eine oder andere menschliche Tristesse und Armut sichtbar.
Kulinarisch betrachtet gewinnt VdC keinen Preis. Trotz einiger Fischlokale, welche allesamt ein sehr einfaches Verständnis von „kochen“ besitzen (frischer Fisch alleine reicht in unserem Verständnis eben noch nicht für „gut essen“ aus), wusste nur das wirklich empfehlenswerte „Porta 93“ nahe dem Bahnhof ein stimmiges Gesamtbild aus Interieur & Küche zu bieten. Ambitioniert im Bereich einer Haube und kurioserweise auch nicht teurer als alle anderen Lokale, in denen wir zu Gast sein durften. Einheitspreise sozusagen! Ganz gut noch die urige Tapas-Bar „O Tabernão“, üppig-gute, aber auch salzige, weil mit viel Käse belegte Pizze gibt’s im Restaurant „Dolce Vianna“ nahe dem Stadtplatz, zufriedenstellende Stockfischvariationen hatten wir bei „O Pescador“ (eine Portion reicht locker für 2 Personen) nahe der Igreja de São Domingos. Ein einziges Fiasko jedoch war das angeblich beste Fischlokal „Da Linda“ im Hafen. Beengtes Sitzen an kleinen Tischen und bei der Zubereitung der Fischgerichte erkennt man wenig bis kein Engagement einer Verfeinerung seitens der Köche. Eine weitere Bestätigung dafür, dass den Bewertungen auf tripadvisor nicht immer zu trauen ist.
Zum Ausgleich dafür gibt es überall köstliches Schokomousse: dunkel, herb, intensiv und von perfekter, cremiger Konsistenz. Schlichtweg vom Feinsten, sodass Schokoladeneis und Mousse au Chocolat in jeder Dorfkneipe – aber wirklich in jeder! – ohne Zögern und ohne Reue geordert werden können.
Und noch ein Genuss-Highlight kann diese Region bieten: köstlich frischen, kargen Vinho Verde aus Alvarinho zu Fisch & Tapas, sowie den unvergleichlichen Rotwein aus Touriga Francesca bzw. Nacional aus dem Douro-Tal. Dieses bietet ebenso tolle Weißweine, die ihre Frische im Gegensatz zu unseren Breiten nicht aus dem Säuregehalt beziehen. Für österreichische & deutsche, säuregeprägte Gaumen ein tolles, neues Geschmackserlebnis. (Nord)Portugiesische Weine, eine m.E. noch immer völlig zu Unrecht unterschätzte, große Weinbau-Nation!
So tragen diese vielschichtigen (menschlichen, wirtschaftlichen, baulichen, landschaftlichen, wetterbedingten, gastronomischen, …) und durchaus auch gegensätzlichen Aspekte mit all ihren kleinen Facetten genau zu jener Melange bei, die den Reiz dieser Region Portugals – Minho-Lima – ausmachen. Zugegebenermaßen braucht es aber vielleicht auch ein fotografisch geschultes Auge, um die Schönheit im Detail zu sehen und dazu ein Quentchen kulturelle Offenheit, um sich daran zu erfreuen.
Nördlich von VdC, hinauf in Richtung Staatsgrenze zu Spanien gibt es wunderschöne Strände – aufgefädelt wie auf einer Perlenkette, wie zB. den Strand von Afife. Alles wirklich blitzsauber, mit Holzstegen für guten Zugang, meistens bestens bewacht und allesamt weit davon entfernt, überlaufen zu sein. Hier fühlen sich auch Individualisten pudelwohl. Wellen und die immer wehende, steife Brise des Atlantiks gibt’s gratis mit dazu, nicht für jede Person gleichermaßen geeignet. Quasi als Entschädigung kann den unzähligen, mutigen Surfern zugesehen werden. Samt deren ebenso unzähligen, gescheiterten Versuchen, die Wellen richtig einzuschätzen. Fad wird’s da nie. Und das Tolle an dieser Küstenlandschaft: es sind Sandstrände mit teils kräftigen Felsen – da kommt also jede (Sand- bzw. Kies/Stein-)Fraktion auf ihre Kosten.
Wer etwas abseits der Hauptrouten durch die Landschaft tourt, gewinnt den Eindruck eines Landes im Aufwind, zwar einer noch immer vorwiegend bäuerlich geprägten Region, aber auch mit bescheidenem Wohlstand. Industrie, abseits der Werft in VdC, ist aber selten zu sehen. Überhaupt habe ich mich bei der Durchfahrt kleinerer Orte oft gefragt, wo denn hier „das Leben spielt“, so verwaist präsentierten sich einige Orte. Doch dann tauchen unverhofft wieder ein paar neue, hübsche Häuser auf. Und auch bei den sehenswerten kleinen Städtchen wie zB. Ponte de Lima oder Caminho ist pulsierendes Leben mit vielen Einheimischen als auch portugiesischen Touristen zu spüren. Wer sich hier dann einfach unters Volk mischt, ein paar der wirklich ausgezeichneten Backwaren samt hervorragendem Kaffee genießt – den gibt’s überall, wirklich überall (und nicht nur in bella Italia) – erlebt plötzlich das Leben dieses Volkes viel intensiver. Denn Portugiesen lieben Süßes über alles andere, wird berichtet, und so sieht man überall zufriedene Gesichter.
Beide Orte kann ich für einen Besuch empfehlen – Caminha zB. nach dem Baden am späteren Nachmittag und Ponte de Lima am Abend, wenn die Tagesausflügler wieder heimkehren und die antike, römische Brücke über den Lima samt Stadtplatz illuminiert werden, erst dann präsentiert sich dieses hübsche, mit reichlichen Parks und Blumen verschönerte Städtchen als Gesamtkunstwerk. Die Ponte war bei unserem Besuch im Übrigen untertags mit Walzermusik der Strauss-Familie beschallt – ein unverhoffter Gruß aus der Heimat ;-). Herausfordernd war dann aber, abends ein geöffnetes Restaurant zu finden – wer hätte das an so einem netten Ort gedacht? Klappen die denn um 8 Uhr abends die Gehsteige hoch?
Etwas verwegener wird es, wenn wir weiter ins Landesinnere in Richtung National Park Peneda-Gerês und zur spanischen Grenze vordringen. Unser Ziel war Lindoso mit eigenartig, schaurig anmutenden Gebilden rund um eine kleine, gut befestigte Trutzburg. Doch davon mehr im nächsten Teil… .
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