Slowenien, so nah und doch so fern. Meine erste Erinnerung an dieses Land liegt gut 30 Jahre zurück. Damals war ich keine 20 und wir fuhren per Interrail-Ticket nach Griechenland. Die erste Station nach dem heimatlichen Kärnten hinter den Karawanken war Jesenice im damaligen Jugoslawien. Düster, schmutzig und ein Ort des Kommunismus. Egal – diese Zeiten sind glücklicherweise ein für allemal passé. Und Slowenien ist und war ein Vorreiter der nationalen Befreiung und Erneuerung.
Auch heute erinnert in Jesenice noch ein hoher Fabrikschlot an die damalige Bergbautätigkeiten. Dieser ist nunmehr jedoch Teil eines Museums. Ansonsten ist dort nicht allzu viel los und wir machen uns auf zu unserer ersten Besichtigung. Da wir bereits einen guten Teil des Tages im Auto verbracht haben, wollen wir an unserem Anreisetag noch durch die nahegelegene Vintgar-Klamm wandern. Der erste Schreck erfasst uns, als wir auf der Zufahrtsstraße Richtung Bled plötzlich im Stau stehen. Da ist die Hölle los! Und mich überkommt eine böse Vorahnung in Bezug auf den Klammbesuch.
Ein Stunde später im Schneckentempo können wir uns aus der Kolonne zum See befreien – wir biegen kurz vorm Ort ab. Die Ausschilderung zur Klamm ist lückenhaft und auch das Navi ist sich nicht immer ganz sicher. Wir kommen trotzdem an, dort herrscht ein ähnliches Getümmel wie zuvor in Bled, haben aber sogar Glück und finden rasch einen freien Parkplatz nahe dem Eingang. Meine Vorahnung wird nun bestätigt, vorm Eintrittshäuschen der bereits zu Zeiten der österreichischen Monarchie eröffneten Vintgar-Klamm steht eine lange Schlange, viele Touristen aus aller Herren Länder – leicht durch das babylonische Sprachgewirr zu identifizieren – stellen sich genauso an wie die zahlreichen einheimischen Urlauber. Viele Personen mit Kleinkindern in Flip Flops und Sandalen? Passt das für eine Klamm? Wir entrichten die Besuchsgebühr und werden ab dann wie auf der Autobahn durch die gut ausgebaute Schlucht, welche die Radvna durch den Fels gegraben hat, vorwärtsgeschoben. Jeder Meter 2 Besucher – einer hin und einer zurück. Personen, die kurz stehenbleiben, um ein Foto zu schießen, werden fast zur unpassierbaren Stelle. Ehrlich, so haben wir uns das nicht gewünscht – willkommen zur Hauptreiseurlaubszeit!
Nach der Enge am Anfang der Klamm weitet sich diese gegen Ende wieder, und: Überraschung! Im Flussbett unten stehen hunderte, teilweise ziemlich imposante Steintürme – stumme Zeugen – Avataren gleich – des unaufhörlichen Besucherstroms. Natürlich hinterlassen wir unser eigenes kleines Stoamandl, alleine schon, um die Freveltat jener französischen Jugendlichen zu kompensieren, die beim Durchwandern zwischen den Türmen einen aus Unachtsamkeit umrennen und auch trotz meiner Aufforderung nicht die geringsten Anstalten zeigen, diesen wieder instande zu setzen. Solche Gfraster!
Am Nordende wartet eine erfrischende, weil durch Geräusch und Sprühnebel kühlende Wehr, über die oberhalb der Schlucht auch eine Eisenbahnbrücke führt. Wir quälen uns über die engen Stege und durch die Menschenmassen zurück zu unserem Ausgangspunkt, die Schlange beim Eingang ist noch immer beträchtlich lange. Schaut nach einem guten Geschäft aus.
Auf zum ersten Quartierstopp in Radovljica unweit von Bled. Der wirklich schmucke und liebevoll restaurierte, autofreie Ortskern um den Linhart-Platz versetzt uns in die Lage, uns vorzustellen, wie es vor gut 200 Jahren in den Ortschaften im ganzen Land ausgesehen haben könnte. Ein schmuckes Palais – Schloss Thurn – beherbergt zugleich das Imkereimuseum wie auch die Musikschule, eine schöne Kirche, ein uriges Gasthaus, ein Dorfbrunnen und ein Geschäft, das alte Blechblasinstrumente anstatt in der Geschäftsauslage lieber an die gegenüberliegende Häuserwand hängt. Ein schöner Arkadenhof ziert den Pfarrhof und auch die hübsche spätgotische Kirche kann sich sehen lassen.
Beim Abendessen (stilecht: Gulasch mit Schlutzkrapfen) erkennen wir gleich die Prioritäten der Slowenen: Glas Weißwein € 1,50, grüner Beilagensalat € 6,50. Verkehrte Preiswelt! Das urige Gasthaus Lectar am Linhartov trg beherbergt ein Lebkuchenmuseum und ist so eingerichtet, dass ich glaube, jede Sekunde den Original Oberkrainern zu begegnen. Volksmusik und Tracht hat hier Tradition. Und ich dachte immer, dass dies ein steirischer Exportartikel sei 😉.
Der nächste Tag gilt Bled und seinem See.
Kleiner Stau, aber den sind wir ja nun bereits gewohnt. Wir gehen also unserer Nase nach ein gutes Stück durch den alten Ort Richtung See und vermuten dann: hier residierten im alten Jugoslawien zum Teil die privilegierten Parteisoldaten. Denn ein paar wirklich sehr schöne, alte Villen lassen sich entlang unseres Weges bestaunen. Der Rest des Ortes, besonders entlang der Hauptstraße offenbart aber viele hässliche und desolate Flecken. Nichts, was auch nur einen Blick im Urlaub wert wäre. Die Sache ist ein Politikum mit gegenseitiger Blockade, wie wir später erfahren. So wie andernorts in Europa eben auch.
Der Veldeser See mit seiner charakteristischen, inmitten des Sees gelegenen Insel ist gewiss ein Kleinod Sloweniens. Das wusste auch der übermächtig große Parteifreund Jugoslawiens, Marschall Josip Broz Tito, zu schätzen und ließ sich hier seine Sommerresidenz errichten, heute ein Hotel im Charme der typischen farb- & schmucklosen, grobschlachtigen Ostblock-architektur.
Jedenfalls ist alles hier idyllisch gelegen, im Hintergrund die Berge des Triglav-Nationalparks, Teil der Julischen Alpen, im Vordergrund die schroff am Felsen gelegene Burg am See, Blejski Grad und mitten drin die Insel Blejski Otok samt Marienkirche. Die Überfahrt erfolgt mit der hier typischen Pletna (entspricht unseren Plätten im Salzkammergut), die mit einer monoton ablaufenden, körperbetonten Vorwärtsbewegung gerudert wird. Alternative, die auch von einigen Urlaubern bevorzugt wird: rüberschwimmen. Allerdings wird die Besichtigung im Bikini und in der Badehose auf der Insel nicht gerne gesehen. Wir nehmen die kürzere und gemütlichere Überfahrt ab Villa Bled und nicht jene ab Bled-Ortskern. Auf der Insel angekommen werden wir dann auch noch Zeuge einer Hochzeit. Und genau wie unser Fährmann Alex es prophezeit hat, muss der (in unserem Fall nicht mehr ganz so junge) Bräutigam seine Zukünftige von der Anlegestelle die ganze Treppe hinauf zur Kirche zu tragen. Ein ziemlich schweißtreibender Job, er hatte meinen höchsten Respekt, denn um ehrlich zu sein, ich bezweifle, dass ich es geschafft hätte, gut 70 kg die 99 Stufen hochzutragen.
Uneingeschränkt empfehlenswert ist auch die Spezialität der Region, die Bleder Cremeschnitte. Original nur im Park Restaurant & Café. Eine Augenweide, wie die Köstlichkeit im Spalier fein säuberlich und appetitlich in der Vitrine aufgeschichtet ist. Auf der Terrasse des Park Cafés mit herrlichem Ausblick auf Uferpromenade, Schloss und Marieninsel genossen, verkörpert ein Stück der ziemlich üppig-intensiven Bleder Cremeschnitte Urlaubsfeeling sowie zugleich slowenische Tradition. Wer kein Süßer ist – so wie ich – für den ist 1 Stück für 2 Personen mehr als ausreichend. Geschmacklich aber wirklich 1a und ein must prove. Zum Glück helfen uns eine Schar frecher Spatzen, die keck am Tisch landen und sich ungefragt beim Dessert bedienen.
Eine mindestens so schöne Aussicht gibt es vom Südufer aus vom Café Belevedere. In luftiger Höhe ergibt sich vom Viadukt (von Jože Plečnik, dem Erbauer der Villa Bled bzw. der Drei Brücken in Laibach) eine alternative, reizvolle Perspektive auf den Blejsko jezero.
Nach sovielen Kalorien braucht es Bewegung, daher erklimme ich zum Sonnenuntergang den schönsten Aussichtspunkt auf der Insel und wandere den Anstieg hinauf nach Ojstrica bzw. Mala Osojnica. Vom Westufer des Sees gilt es einen teilweise ziemlich steilen Pfad durch den Wald samt einer Stahltreppe über einen Felsen zu überwinden, bevor die Aussicht einen für die Anstrengung entschädigt. Vorher gilt es aber erstmals einen Parkplatz in der Nähe zu finden, denn am Westufer beim Campingplatz sind die Stellplätze beschränkt und schnell voll und ansonsten sind Parkplätze um den See Mangelware. Die einzigen Plätze im Süden gehören meistens zu gastronomischen Häusern und werden nur an Gäste des Hauses vergeben. Also kommt zum einstündigen Aufstieg dann vorher auch noch ein einstündiger Anmarsch. Ein paar mehr Parkplätze täten den doch zahlreichen Touristenströmen ganz gut! Abkassiert wird fürs Abstellen des Autos sowieso. Der Ausblick auf den See, die Insel und die in der Ferne liegenden Karawanken (und seiner höchsten Erhebung, dem Hochstuhl) lässt einem das Herz höher schlagen und erklärt zurecht, warum sich die Region als Alpines Kleinod bezeichnen darf.
Zurück nach Radlovjica, wo wir in der Gostilna Avguštin mit Blick auf den Triglav-Nationaplark bei herrlichem Fisch einen mit vielen Eindrücken versehenen Sommerurlaubstag ausklingen lassen.
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[…] die Reise durchs Soča-Tal und drehen die Schleife über Görz-Triest-Adelsberg nach Laibach (1|2|3, wer Nachlesen möchte). Auch in diesem Sommer scheinen unserer Erfahrungen noch die gleiche […]