Antelope-X

Vor vielen Jahren, ziemlich am Anfang meines fotografischen Interesses, bin ich über ein Bild eines Fotografen in einer „schluchtähnlichen“ Höhle gestolpert,  einer Höhle, die viele Ausbuchtungen und Streifen zeigte, welche in allen nur erdenklichen Orange-Rot-Schattierungen leuchteten. Der Fotograf war kein Unbekannter der Szene, es war Scott Kelby, und der Ort einer jener magischen Plätze im Südwesten der USA: der Antelope-Canyon.

Ich jedenfalls bin beim Anblick neuer Landschaftsformen – und derer gibt es wahrlich viele – immer unmittelbar ergriffen und verspüre ein inneres Verlangen, diese auch sofort aufzusuchen. Genau diese Magie zu inhalieren und die positive Wirkung auf Leib & Seele zu verspüren, ist wohl auch Triebfeder und innerer Motivator vieler Landschaftsfotografen. Ein wenig „instant satisfaction“ gibt’s ja bereits beim Betrachten der Bilder, was aber parallel mitschwingt ist…  immer der Wunsch nach physischem Aufsuchen!

Und nun stehe ich also selbst mittendrinnen im Canyon – yess!!! – und bin überwältigt von der Schönheit der Formen, vom Gegensatz der sanften Rundungen und schroffen Felskanten, vom Verlauf der Rillen, die meine Augen zu immer neuen Formen leiten, alles begleitet von einem intensiven und doch nuancierten Farbenspiel.

In Wahrheit reiht sich die Einzigartigkeit der Antelope Canyons, es sind ja derer mehrere, nahtlos ins bisher Erlebte bei unserer Reise durch den Südwesten ein! Denn an jedem Tag und an jeder Ecke überrascht uns dieser Landstrich der USA erneut mit weiteren, spektakulären Formationen, die uns ein ums andere Mal den Mund offenstehen lassen. Ein Landstrich unserer Erde, der mit besonders vielen Naturschönheiten bedacht wurde, sofern – und das ist wohl die einzige Einschränkung bzw. Voraussetzung – einem eine gewisse Begeisterung für Stein & Fels zueigen ist.

Während mein Guide und ich die kurze Autofahrt vom direkt an der Route 98 gelegenen Meetingpoint zum Eingang des Antelope-X zurücklegen, habe ich Zeit, ein paar Gedanken Revue passieren zu lassen.
Ein Deja vu! Das ist es, was ich gerade er- und durchlebe! Die aktuelle Situation erinnert mich an etwas, das ich bereits einmal 1995 erlebt habe. Damals ging es nicht um Fotografie, sondern um Wein – meine zweite große Leidenschaft. In meinen ersten Anfängen der Erkundung der Welt des Rebensaftes war spanischer Rioja angesagt. Eine Region, die mir damals trotz machbarer Distanz am selben Kontinent (Österreich – Spanien) unerreichbar weit weg erschien. Nur, um den Kontext der Zeit vor 25 Jahren zu setzen: damals war zur innereuropäischen Erkundung noch das günstige Interrail-Ticket das geeignete Mittel der Wahl. Und natürlich immer gegen Süden! Heute ist die Welt ein Dorf, Reisen ist durch Flugtickets zum Schnäppchenpreis unverschämt günstig und die Sehnsucht nach der Ferne wird durch die wiedergewonnene Freiheit nach der Pandemie wohl nochmals kräftig befeuert…

Nicht, dass La Rioja nicht erreichbar gewesen wäre – nein – aber das Bauchgefühl verriet mir, dass ich dorthin wohl so rasch nicht hinkommen werde. Denn schließlich gibt es auf dem Weg nach Spanien ja auch noch all die anderen Weinregionen örtlich dazwischen ;-): die Bourgogne, das Bordeaux, die Rhone entlang in Richtung der Provence & Languedoc-Roussillon, …, um nur ein paar davon exemplarisch aufzuzählen.

Unerreichbar weit weg, gepaart mit tiefem Verlangen, das wirkt dann auch noch wie ein Multiplikator und Verstärkungsfaktor! Alles natürlich nicht rational belegbar! Vier Jahre später stand ich dann plötzlich mitten drinnen im Rebenmeer von La Rioja und wir logierten im ehemaligen Augustinerkloster in Haro, besuchten u.a. die Weingüter Lopez del Heredia (dieser fantastische rote Turm des Betriebsgebäudes!), Vina Ardanza, CVNE und Remulluri.

Du bekommst den Punkt, oder? Noch eben unerreichbar in der Ferne und plötzlich, rascher als jemals gedacht, mitten drinnen im Sehnsuchtsort! Naja, nicht unmittelbar sogleich, aber gemessen am Verlangen in einer akzeptabel langen Zeitspanne. Und gefühlt allemal immer noch viel schneller als ggf. objektiv vergangen.
Und so erlebte ich das auch mit dem Antelope Canyon. Eben noch Kelby’s Bild vor Augen und plötzlich selbst vor Ort!

Zeitsprung zurück in die Gegenwart (Prä-Covid). Wir kommen aus der Richtung des Monument Valley, Utah und fahren Richtung Page im nördlichen Arizona. Eine Stunde Zeitverschiebung zu unseren Gunsten, die ich aber nicht bedacht habe. Heißt also, eine Stunde zu früh! Eine Stunde in der sommerlichen Mittagshitze! Warten und absitzen! Es ist nicht allzu viel los – ein stetiges Kommen und Gehen kleiner Gruppen für die Besichtigung des Canyons, aber keiner, der die “Photographer’s Tour” gebucht hat. Anstatt die Zeit totzuschlagen, hätte ich damals besser nochmals meine Kameraeinstellungen geprüft, denn diese haben sich – warum, weshalb und wo auch immer – nicht zu meinem Vorteil verstellt. So nahm ich damals anstatt mit “RAW+Fine” meine Bilder nur mehr in der geringsten Qualitätsstufe “JPG Normal” auf. Ein einziges Mal kurz an den hinteren Bedienelementen gedreht – meine Kamera trage ich mit über dem Oberkörper schräg hängend Schultergurt – und schon war das Malheur passiert! Und ich wunderte mich auch noch während der Aufnahmen (Belichtungsreihen) ob der raschen Speicherzeit! Spätestens dies hätte mich stutzig machen müssen und zu einem kritischen Kontrollblick veranlassen sollen. Aber nein, Urlaub, tolle Location, eingelullt in Farbenpracht, zu relaxed, zu entspannt – alles gut! Eben nicht!

Aber zu unser aller Beruhigung: scheint total normal und lebenskonform zu sein! Auch lt. Murphey’s Law, denn “was schief gehen kann, das geht auch schief!”. Und auch, wenn ich die Berichte anderer Fotografen lesen, z.B. jenen von Lloyd Chambers im Medium-Format-Magazin, der sinngemäß meinte, er hätte jeden (fotografischen) Fehler, den es zu machen gibt, auch nicht ausgelassen.
Der Schock bei meiner nachfolgenden Erkenntnis saß damals jedenfalls tief. Zum Glück aber waren die Qualitäten der Bilder durch die 5er-Belichtungsreihen in Ordnung und zufriedenstellend, sodass ich später zuhause am Computer nach dem HDR-Merging auch Entwarnung geben konnte. Fürs erleichterte Durchatmen war’s dann ohnedies bereits viel zu spät!

13:00h Ortszeit, ab ins Auto zusammen mit meinem Guide und ein paar hundert Meter zum Einstieg in den Antelope-X gefahren. Abgang in die Schlucht – eigentlich sind es 2 getrennte an der Zahl. Mein Guide zeigt mir die schönsten Stellen, die Gesichter in den Felsformationen und hält mir bei den Langzeitaufnahmen auch die restlichen Besucher vom Leib. Eine perfekte Arbeitsteilung. So geht es Meter um Meter vorwärts – immer wieder lassen sich neue Muster und Formen durch einen Perspektivenwechsel entdecken.

Rillen, rund & rein…

Obwohl ich um die Mittagszeit den Canyon besuche, entdecke ich im Antelope-X keine der Sonnenstrahlen, welche durch obere Öffnungen wie ein Fingerzeig punktuell Bereiche der Schlucht erhellen. Für viele Fotografen stellt dies das Highlight schlechthin dar und ist auch noch extra zu bezahlen, da ein Besuch zur Mittagszeit teurer kommt als die Zeitslots am Vormittag oder späteren Nachmittag. Kein Thema für mich, denn durch das gleißende helle Licht sind die sun beams am Foto dann ohnehin meistens nur als “ausgefressene Lichter” abgebildet – zu hoch der Hell/Dunkel-Gegensatz, ein schwer handhabbarer Kontrast für die Kamerasensoren – und somit oftmals keine Zierde am Foto selbst, solange nicht die Auffächerung der Strahlen eingefangen werden kann.

Eines der zahlreichen Gesichter, die sich im Fels finden lassen…

Versunken in diesen magischen Ort – gedämpftes Sommerlicht, wundervolle Formen und Strukturen –  vergeht die Zeit wie im Flug. Nach gut 2 ½ Stunden geht’s wieder zurück zum Ausgangspunkt. Wieder vereint mit meinen Reisegefährten, sie hatten die klassische Touristentour im Lower Antelope-Canyon gebucht, rittern wir nun alle um die Hoheit der schöneren Impressionen. Beim Betrachten ihrer Smartphone-Aufnahmen – Personen mit einer DSLR oder Systemkamera müssen verpflichtend die viel teurere Fotografen-Tour buchen, auch wegen der dann erlaubten Stative (= Stolperstellen) – sehe ich wohl ebenso prachtvolle Windungen und Formationen in feinsten Orangenuancen, jedoch ohne die Ruhe und Stille, die ich genießen konnte! Eines aber wird mir schnell klar, meine Familie ist ebenso beeindruckt wie ich begeistert bin!

Egal ob Upper-, Lower- oder der Antelope-X –  diese Slotcanyons sind klarerweise ein “Must See” auf einer Rundreise entlang der endlosen Sehenswürdigkeiten des Südwestens. Orte, die ihre Geschichte selbst zu schreiben scheinen, Orte mit dieser besonderen Aura –  “Kraftplätze” im besten Sinne und zu erspüren mit jeder Faser des Seins!

Keine Viertelstunde weiter wartet bereits das nächste Highlight auf uns: der majestätische Horseshoe-Bend des Colorado-Rivers!

Wochen später zurück in der Heimat stehe ich vorm Computer, um die Knochenarbeit zu erledigen. Zeit fürs post-processing meiner Bilder. Erst beim Bearbeiten wird mir klar, wie schwer mir die tonal korrekte Abstimmung der Bilder über mein Erinnerungsvermögen fällt. Intensives Rot-Orange in den sonnendurchfluteten Stellen? Oder doch mehr mit hohem Blau-Violett-Farbanteil des UV-Lichts in den Schattenbereichen? Hmm – Google ist nur eine geringe Hilfe, die zahlreich im Netz verfügbaren Fotos sind meines Erachtens ausnahmslos farblich total und unrealistisch übersättigt. Bleibt also nur eines übrig: „edited to taste“, wie ich so oft bei Richard Butler als ehem. Chefredakteur des im Sommer leider eingestellten dpreview-Magazins lesen konnte…

3 aus n möglichen Farbvariationen…

Mein versucht realistisches Farbenspiel trifft hoffentlich auch euren Geschmack? Ich jedenfalls bin ganz zufrieden mit dem Ergebnis! Wieder einmal Zeit, die eigene Sehnsucht zu stillen 😊…

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