Maximilianische Turmlinie

Kaum zu glauben, aber es gibt auch nach Jahrzehnten des Daseins in meiner Heimatstadt Linz für mich noch die eine oder andere Überraschung zu entdecken.

Wer durch das Umland von Linz spaziert, dem werden an einigen Stellen gleichaussehende Türme auffallen, so z.B. in Leonding, im Linzer Stadtzentrum nahe dem Hafen, der Stadtautobahn nahe der Donau oder auch am Fuße der Mayrwiese des Pöstlingsbergs in Urfahr. Und ein besonders schönes Exemplar steht am Freinberg als Teil des dortigen Gymnasiums.

Nun sind in Linz zwar einige der “Pulvertürme” als Bauwerk wohlbekannt, teilweise auch unter der Nummer, die diese tragen – so z.B. der “17er-Turm“ als Stadtmuseum Leonding oder der 13er-Turm „Genoveva“ im Leondinger Stadtpark als höchster Punkt der Gemeinde. Dies allein ist bereits ein ausreichender Hinweis auf eine Serie und einem “größeren Ganzen”. Die wenigsten aber kennen den Zweck und die Geschichte dahinter, welche vor mehr als zweihundert Jahren zur Errichtung dieser Türme führte. Alles, wie immer, ausreichend detailliert nachzulesen auf Wikipedia (spenden Leute, spenden! Damit diese einzigartige Enzyklopädie auch zukünftig gesichert ist und ständig erweitert werden kann. Und kein Tag ohne die obligatorischen Wikipedia-Lese-Viertelstunde). Und kurioserweise bekamen alle Türme einen göttlichen, weiblichen Namen. Zeitzeugnis und Vertrauensbeweis in die weibliche Schutzmacht, zur Abwehr allen Bösen und des Feindes?!

Beim Studieren der Geschichte wird vielen Personen erstmals bewusst, dass auch in weiten Teilen der beliebte Linzer Aussichtspunkt, der Pöstlingberg, seinen heutigen Charakter der Turmlinie zu verdanken hat. Die Bergbahnstation als auch die Linzer Grottenbahn logieren heute in einer der damals errichtenden, runden Verteidigungsbauten. Überhaupt sollten diese hoch über der Stadt thronend, als Fort das Highlight der Turmlinie bilden.

So weit, so gut. Und auch noch nichts wirklich Neues für meinereiner. Ab und zu kam mir bei Spaziergängen in der Nähe der Türme aber der Wunsch nach einer Innenbesichtigung – nichts ahnend, dass auf der Urfahraner Seite ein solcher Turm zur “freien Besichtigung” existiert.
Zwar bereits ein wenig dem Zahn der Zeit verfallen, aber in einem akzeptablen Besuchs- & Erkundungszustand. Denn rein zufällig stolperte ich bei meiner Erstwanderung über den Puchenauer-Kreuzweg auf den Pöstlingberg über den Turm 15, der Teil des ausgeschilderten Turmwegs mit mehreren ehemaligen Bauwerken der Verteidigungslinie ist. Kurioserweise sind diese auch – Dank der „nackten“ Winteraufnahme – gut auf Google Maps zu erspähen.

Ein wenig Zeit während der Weihnachtsferien ließen mich (Innen)Panoramen des Turms anfertigen. Somit konnte ich mich auch fotografisch & fototechnisch ausreichend an diesem Bauwerk abarbeiten, welches, wie all die anderen Türme auch, einen weiblichen, alt(hoch)deutschen Vornamen trägt: Luitgarde = Leute + Schutz, ein treffender Name für den Zweck dieses Bauwerks.

(4k-Bild)

(4k-Bild)

Alte, morbide Bauwerke sind weder massentauglich noch breitenwirksam, das ist mir klar. Vielen Menschen bleibt die Schönheit des Vergangenen für immer verborgen, im unergründlichen Dunkel. Über die Schönheit eines militärischen Zweckgebäudes lässt sich natürlich vortrefflich diskutieren, aber Schönheit lässt sich bekanntlich auch in Muster, Struktur, Form und Farbe entdecken. Ich habe auch Interesse am Geschichtsbezug meiner Heimatstadt und kann somit dem Hineinversetzen in die Gedankenwelt früherer Jahrhunderte etwas Spannendes abgewinnen. Nur ein wenig Fantasie als Zutat ist dazu notwendig. Etwas, das auch jene Kinder, die in diesem Mauerwerk beim Versteckenspiel eine Riesengaudi hatten, noch zur Genüge besitzen. Somit bin ich diesbezüglich auch kein Einzelfall, was im Übrigen der seit Jahren anhaltende Run auf die “Lost Places” aufzeigt, dokumentiert durch zahlreiche Fotobücher und Bildbände. Wir alle tragen mit unserem Interesse hoffentlich auch dazu bei, dass diese Bauwerke noch einige Zeit für eine gefahrlose Besichtigung von Jung & Alt erhalten bleiben – auch wenn die Erkundung der beiden Bauwerke am Turmweg auf eigenes Risiko erfolgt. Diese Zeitzeugen der Linzer Stadtgeschichte hätten es sich verdient – schon deshalb, weil ihnen zum Glück die Bewährungsprobe eines Krieges erspart geblieben ist.

Bei meinem Nachlesen zur geschichtlichen Entwicklung der Maximilianischen Befestigungsanlage stieß ich auch noch auf die informative Seite des Amateurfotografs Heinz Nowaczek, welche ich hier noch verlinken möchte.

PS:
Eigentlich wollte ich ja nur meine beiden Panoramen „loswerden“, aber wie das nun mal so ist, habe ich dann doch zu Turmbildern in meiner DAM-Software zu suchen begonnen…und dann kommt ein Bild zum Nächsten… so dass schlussendlich dann doch wieder eher eine Retrospektive daraus entstanden ist – bildertechnisch meine ich. So gibt es im bunten Bilder- & Stile-Mix die beiden Türme vom Puchenauer Turmweg, winterliche Details der Pöstlingberger Anlage, sowie der wild-romantische überwucherte Turm 20 „Cäcilia“ am Fuße des Urfahraner Kreuzwegs.

Dass ich mich aber auch nie einmal auf nur ein Thema fokussieren kann 😉.

PSS:
Es kommt, wie es kommen muss! Hatte ich bereits bei der Ruine Schaunburg zum Veröffentlichungsdatum meines Beitrags die Ehre eines OÖN-Begleitartikels, passiert dies nun zum zweiten Mal mit der Turmlinie! Unabgesprochen, klar, trotzdem ein herzliches Dankeschön! Artikel der OÖN vom Samstag, 8.4.2023 (leider ist nur der zweite Teil online, und dies auch nur für registrierte Benutzer)

PS³ (gibt es ein dreifaches Post Scriptum überhaupt?):
Ein Bild habe ich noch dazu geschummelt. Am oberen Ende des Turmwegs, wo sich dieser wieder mit dem Kreuzweg vereint, gibt es einige abgestorbene Bäume im Wald, von denen einige bereits entwurzelt sind und sich nochmals zum Abschluss in eine letzte, fotogene Pose geworfen haben. Des Försters Leid, des Fotografen Freud – sorry, aber da komme ich einfach nicht vorbei, ohne den Auslöser zu betätigen. Kompositorische Maximalkomplexität der Marke Natur-Wimmelbild!

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