Um ein möglichst authentisches China abseits von Shanghai zu erleben, freut es mich, nach dem Besuch von Wuxi vor ein paar Jahren, diesmal 3h weiter nordwestlich nach Yangzhou zu kommen. Erneut von Shanghai kommend, geht’s vor dem Erreichen der Stadt über den Jangtsekiang – eine mächtige, einheitsbraune Suppe mit vielen Transportschiffen, immerhin ist der Jangtse Nummer 3 auf der Liste der weltweit längsten Flüsse! Und mit knapp 5 Millionen Einwohner ist Yangzhou auch nicht gerade die Kleinstadt ums Eck, auch wenn das ein Stück weiter flussaufwärts gelegene Nanjing wohl bekannter ist!
Von meinem Hotelzimmer aus habe ich direkte freie Sicht auf die innerstädtische Autobahn – einmal eine andere Art der Abwechslung zur visuellen Entspannung im Vergleich zu den sonst üblichen Aquarien, Brunnen oder Lichtspielen in den Hotelhallen. Chinesische Stadtautobahnen – ein nimmermüdes, immer geschäftiges Treiben, Tagein & Tagaus, natürlich in zweiter Spur auf der vertikalen Achse, auf Stelzen, errichtet. Neben Hochhäusern eine weitere Kernkompetenz in Chinas Baugewerbe: Hoch-Autobahnen in modularer Betonblockbauweise. Und wie sich 1 Jahr später bei unserer Chinarundreise zB. in Chengdu zeigen sollte, sind die Stelzen auch hervorragend zur Stadtrenaturierung und Begrünung geeignet. Cooler Look, ein Hauch von Urwald inmitten von Megacities – Großstadtdschungel eben 😉.
Heute ist Yangzhou – angeblich war Marco Polo hier auch für einige Jahre als Statthalter tätig – landesweit für seine drei Gartenanlagen Shouxihu Gongyuan, Ge und He Yuan berühmt, die auch viele Touristen aus dem eigenen Land anziehen. Und wirklich, bei unserem 3-tägigen Besuch in Yangzhou im Sommer 2023 habe ich, außer uns, keine anderen Langnasen gesichtet.
Frönten wir am ersten Abend dem lokalen Shopping in der Dong(g)uan Street – ein quirliger Mix aus Souvenier- & Essensläden im Stil einer alten, chinesischen Einkaufsstrasse und eine der Haupttouristenattraktion der Stadt, an deren Ende sich ein Stadttor befindet – entführten uns unseren chinesischen Kollegen am nächsten Abend in den Slender West Lake Park (Shouxihu Gongyuan).
Der See entwickelte sich aus der Stadtbefestigung während der Tang-Dynastie und umfasst heute ca. 120 Hektar Parklandschaft.
Beginnend mit einer Bootsfahrt, samt Durchfahrt unter einem Wasserfall, hatte ich rasch wieder das Gefühl, in einem Vergnügungspark ganz nach chinesischem Pläsir gelandet zu sein. Lichtspiele in allen Farbfacetten, bunt illuminierte Baumareale, Schauspielvorführung im Tempel, Tanzeinlagen in der Pagode mitten im See und traditionelle chinesische Geschichte in Form einer auf eine Wasserwand projizierte Lasershow ergaben unbestritten einen kurzweiligen Abend. Hier wird die chinesische Gartenkunst mit grell bunten Animationen und Nebeleinsatz auf ein neues Level gehoben – dies gilt aber ebenso für den eigenen “visuellen overload”.
Welchen Rundweg wir an diesem Abend genau genommen habe, vermag ich retrospektiv nicht mehr genau nachzuvollziehen. Zu beschäftigt war ich mit dem Versuch, neben den Fotos nicht meine Kollegen in der Menschenansammlung aus den Augen zu verlieren – da ist wenig Zeit geblieben, sich auch noch zu orientieren. Dank der Bilder in den Smartphone-Bildern meines Kollegen eingebetteten GPS-Daten lässt sich die Route dann doch halbwegs reproduzieren – Danke Erich! Animationsbereich mit Schmetterlingen, weiter durch den Bereich mit den in unterschiedlichen Farben changierenden Trauerweiden, das runde Tor hinein in den Abschnitt des Xu-Garten, vorbei an der 5-Pavillion-/Lotus-Brücke bzw. die 24er-Brücke passieren – Bauwerke, die tlw. auch Anleihen an ähnliche Gebäude im Pekinger Behai-Park nehmen.
Fürs Fotografieren war es ebenso herausfordernd, denn trotz meines XF23 f1.4-Objektivs (35 mm Kleinbildformat) an der X-Pro2 und ISO 1600/3200 Empfindlichkeit bewegte ich mich mit den Verschlusszeiten um die 1/20 s bereits deutlich im Verwackelungsbereich. Auf einem schwimmenden, sich vorwärts bewegenden Boot ist dann an fast kein scharfes Foto mehr zu denken. Stativ hatte ich beim diesmaligen China(arbeits)besuch keines mitgenommen, so dass ich eher mit impressionistischen Bildeindrücken dieser Gartenanlage zurückgekehrt bin. Einzig der Kunstgriff der Skalierung & -verkleinerung schafft hier noch ein wenig Abhilfe zur Minderung der (Bewegungs)Unschärfe.
Dieses Fotos sind doppelt undankbar, denn neben dem Schärfethema benötigen diese Bilder auch meistens auch noch kräftiges Anheben der Schatten und dann erheben sich plötzlich wie aus dem Nichts die blauen & roten Hotpixels und Pixelartefakte wie Zombies im grauschwarzen Pixelrauschen. Der damit einhergehende hohe Retuscheaufwand verursacht also auch noch einen hohen Arbeitsaufwand, ohne dass dieses Prozedere einem schlussendlich mit einem Top-Foto belohnen würde. So ist das nun mal eben im (Amateur)Fotografenleben – außer Spesen nichts gewesen. Naja, so schlimm ist es dann auch nicht, denn die Handyfotografen kämpfen dafür mit dem für die kleinen Bildsensoren schwer zu handhabbaren hohen Dynamikumfänge: viel helles Licht, viel dunkel Schattenbereiche und dazwischen im Mitteltonbereich nichts. Die bei Xiaomi & Co automatisch werkelnden chinesischen HDR-Auto-Fotoverbesserung-Algorithmen sorgen ohnedies für einen sehr speziellen, eher künstlichen Bildlook. Das ist nicht weiter tragisch, denn wie ich gelernt habe, ist ästhetische Bildkomposition keine Kategorie bei den meisten Chinesen. Die möchten nur just-in-time auf WeChat für Freunde & Familie nachweisen, dass sie auch an diesem Platz waren 😊.
Noch eine kurze Anekdote am Rand: da meine chinesischen Kollegen immer hungrig sind und das Lokal für den Hotpot (Chinesen lieben diese asiatische Fondue-Variante) erst zu späterer Stunde nach dem Gartenbesuch gebucht war, spazierten wir kurzerhand in einen nahe des Garteneingangs situierten McDonalds ein. Und was soll ich sagen? Mit leicht asiatischem Einschlag versehen (Sauce, Gewürze) war dies mit Abstand der beste Meki-Burger bisher – in Punkto Geschmack, Frische und heißer Serviertemperatur. Chapeau!
Gratulation auch zur Gestaltung der Gartenanlage des West Lake Park – 祝贺你 – so etwas gibt’s in Good Old Europe nicht zu erleben!