<Take One>
Digitale Fotografie ohne Bildretusche? Geht gar nicht! Nie! Naja, sehr, sehr selten. Ab und zu passt das „SoC“-Bild – jenes Bild im JPEG-Format, welches “straight out of camera” gezogen wird, schon ganz gut. Der Weißabgleich und die Belichtung passen, folglich dann auch die Farben. Der Himmel wirkt natürlich und die Detailzeichnung ist in den Tiefen ausreichend vorhanden. Schönwetter-Handy-Aufnahmen sind ein gutes Beispiel dafür.
Der Drang, hier noch manuell Verbesserungen anzubringen, hält sich in dann Grenzen. So sollte Fotografieren immer sein – voller Fokus aufs Fotografieren, aufs die Bildkomposition und nicht auf die Nachbearbeitung 😊.
Im Normalfall aber findet sich aber dann doch immer ein bisschen etwas zur Optimierung. Und ich bin beileibe kein Retusche-Guru, noch habe ich sonderlich Spaß an all dem – meines Erachtens doch aufwändigen und auch zumeist langweiligen – Post-Processing.
Mein Mantra bei der Fotobearbeitung klingt recht simpel: die Natürlichkeit, den Realismus des Bildes zu erhalten! Also Bildbearbeitung so zu betreiben, wie es mein Auge bei der Aufnahme wahrgenommen und in Erinnerung behalten hat. Das allein schon ist keine einfache Angelegenheit, manchmal sogar eine richtige Herkulesaufgabe, wenn ich
- Schwierigkeiten habe, mich an die reale Szenerie zu erinnern: welches Blau hat nun der Himmel genau gehabt (da gibt’s mehr als eine Handvoll Farbabstufungen…) und
- Dann auch kein befriedigendes Ergebnis finde, weil sich die Szenerie am Bildschirm nur als müder Abklatsch dessen präsentiert, was ich gefühlt wahrgenommen habe. Frustration macht sich dann bei mir breit, ob des vorliegenden Ergebnisses bzw. der (erneut=) vergebenen Chance?!
Das Dilemma: mein Bauchgefühl beim Betrachten des Bildes am Bildschirm ist nicht deckungsgleich mit den Emotionen bei der Aufnahme? Seltsam, denn hätte ich eine Szenerie, ein Motiv nicht als „schön“ und als ablichtenswert empfunden, hätte ich ja gar nicht den Auslöser betätigt. Und genau da ist der Gegensatz, den es aufzulösen, welchen es zu knacken gilt?! Andererseits, wenn alle Bilder auf Anhieb gelingen würden, so wie wir hinter der Kamera das uns vorstellen, dann hätten wohl die meisten Menschen rasch ihr Interesse an der Fotografie verloren, oder?
<Take Two>
Zurück zur Aufgabe: wir haben also ein Foto am Bildschirm, das aufgrund der eben geschilderten Gegebenheit(en) Optimierung benötigt.
Versuche, dem Bild wieder etwas mehr von jenem Kick der Aufnahmesituation mitzugeben, münden oft in Übertreibung. Übertreibung beim Kontrast, der Schärfe, der Farbe, was auch immer, denn dies sind die Erstansätze bei der Nachbearbeitung. Ggf. wird es im Detailbereich besser – im Gesamten aber? Meines Erachtens selten!
Wie also Aufsehen erregen in Zeiten der sozio-medialen Bilderflut? Entweder durch Masse, durch ständiges Bespielen des Kanals oder durch die Möglichkeit der überdrehten Präsentation als Aufmerksamkeitshascher! Knallig bunte Bilder präsentieren! Sukzessive am Farbsättigungsregler hantiert, bis alles andere Bilder herum ausgestochen und übertrumpft werden. Bloß mir dreht es dann die Augen um, denn in meinem Verständnis als “Bewahrer der Natürlichkeit” ist das oftmals nicht auszuhalten! Interessanterweise scheinen viele meiner Mitmenschen davon gänzlich unbeeindruckt zu sein. Entweder sind diese bereits abgestumpft oder ihre Farb-Sensitivitätsschwelle ist derart niedrig, dass dies bereits einem “farbenblind” nahekommt?
Das Fatale daran ist auch, das die Masse der Übertreibung die Schwelle der Normalität hin zum Schlechteren skaliert! Wahrgenommen wird’s aber genau anders herum: das realistische Abbild wird plötzlich als fad und öd klassifiziert.
<Take Three>
So schwarz/weiß ist die Welt jedoch nicht (immer). Und auch ich habe bei Farbe (m)einen Schwachpunkt, wie ich gleich offenlegen werde.
Presets, das sind jene frei konfigurierbare und somit dann voreingestellten Bearbeitungsschritte, welche versprechen, wiederholbare Tätigkeiten bei der Fotonachbearbeitung effizienter zu gestalten. Ein flexibles und wahrlich sinnvolles Konzept!
So weit, so gut. Ich spreche hier aber von Farb-Presets, also jenen, welche simplen Knopfdruck einen speziellen “Foto-Look” zu erzeugen. Presets sind in meinem Bearbeitungsprogramm bereits im Standard (seufz!) zu Hunderten vorhanden! Und ob als das alles nicht bereits genug wäre, nein, da gibt es dann noch all jene Presets der im Netz aktiven Berufsfotografen, welche diese als Teaser umsonst oder z.B. beim Abonnieren ihrer Newsletters als Goodie unters lernwillige Volk verteilen. Wer kommt da nicht in Versuchung? Installiert sind diese mit geringem Aufwand – erst die Anwendung dieser Presets offenbart sich dann als der wahre Zeiträuber! Und auch als Platten- sprich Speicherplatz-Verschwender!
Denn habe ich erstmals ein Foto von mir als “Preset-tauglich” eingestuft, passt dieses Bild meistens nicht nur für genau eine Einstellung. Nein! Es schaut passabel in einer Vielzahl an Look-Variationen aus. Und das heißt konkret: zig Presets ausprobieren, vor und zurückspringen, um zu vergleichen und auszuprobieren, um dann schlussendlich Dank meines eigenen Unvermögens der Einschränkungsfähigkeit mit annähernd ALLEN Varianten aus einem entwickelten Bild in meinem Foto-Verwaltungstool zu enden. Na super – ein echter Produktivitätsmultiplikator ;-). So mache ich aus einem Foto gleich mal drei, fünf oder gar mehr. Vom selben Foto! Und das, obwohl Entscheidungsschwäche i.d.R. nicht zu meinen Charakterzügen gehört.
Aber es geht ja noch weiter! Denn der Reiz einiger Presets liegt ja auch in ihrer einzigartigen Farbgestaltung – Cineasten Look zum Beispiel, Farbvarianten der Jahreszeiten angepasst, unzählige Preset für die Portrait-Sessions oder welche für den stylischen Vintage-Look. Ein Mausklick und schaut gleich cool aus :-). Und ggf. auch deutlich besser im Vergleich zum Originalbild? Und Schwupps ist mein Grundsatz der “natürlichen Bildbearbeitung” schon über Board gefallen. Hast du‘s bemerkt? Teuflisch!
Bei mir geht es nicht um ein zeitgeistiges „sich-abheben-wollens“ vom Rest der Gilde, nein, eher um „geopfert am Altar der Software-Möglichkeiten, der Technikverliebtheit“. Oder aber, weil ich eventuell gescheitert bin an einer zu schwachen Bildkomposition? Wie auch immer, natürlich bin ich – wir alle als Fotografen – nicht verlegen um eine Ausrede, um ein Statement: „edit to taste“ heißt dann die Rechtfertigung der künstlerischen Freiheit. „Bearbeitet nach persönlichem Geschmack“, die wir klein – wenn überhaupt – unterm Bild anbringen. Richard Butler, ehemaliger Chefredakteur vom (leider) eingestellten dpreview.com hat dies recht konsequent verwendet, um den ganzen Besserwissern im Vorhinein den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Das hier soll auch weder Rechtfertigung sein und auch kein Mahnruf an ein „richtig oder falsch“ oder an ein „echt, echter und unecht“. Nein, es geht allein um das „sich bewusst machen“, der Schärfung der eigenen fotografischen Sinne und um Selbstreflexion beim eigenen fotografischen Verhalten. All dies führt dann hoffentlich zu einem (für sich selbst) befriedigenderen Ergebnis.
Auch wenn ich eher der dokumentarischen Fotografie zugeneigt bin als der Fotografie als Vehikel zur künstlerischen Selbstentfaltung, finde ich, dass einige Preset ziemlich spektakuläre Ergebnisse liefern. Im positiven Sinn als auch bei der Übertreibung. Das geschulte Auge erkennt dies ohnedies sofort – die Persiflage des Bildes sollte also offenkundig sein! Zum Glück gibt‘s auch subtile(re) Presets, die nicht gleich die gesamte Tonalität eines Bildes umkrempeln. Ein guter Startpunkt zum Experimentieren…
Sich entscheiden für eine einzelne Variante? Fällt mir ehrlich gesagt nicht leicht! Und dir? Welches Bild wäre nun dein Favorit?
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[…] kann ich das Thema Presets & Filter bei der Nachbearbeitung aus einem meiner vorigen Posts noch ein wenig weiter prolongieren […]